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Konzert gegen das Vergessen

Musikalische Vision von Krieg und Frieden

Anlässlich des 80. Jahrestages des Beginns des Zweiten Weltkrieges und zum zehnjährigen Jubiläum des ersten Läutens der neuen Glocken von St. Stephan fand in der Kirche ein Friedenskonzert statt. Auf dem Programm stand „The Armed Man“ von Karl Jenkins.

Es war ein eindrucksvolles Bild, das sich dem Publikum am 1. September in St. Stephan bot. Rund 130 Sängerinnen und Sänger sowie Musizierende hatten sich im Chor der Kirche formiert, um Karl Jenkins‘ „The Armed Man – A Mass for Peace“ aufzuführen. Der vorangegangene Einmarsch des Chores zum rhythmischen Klang einer Trommel und die wechselnde Beleuchtung des Innenraumes machten das Konzert zu einer Inszenierung. Das Aufführungsdatum war wohl gewählt: Auf den Tag genau vor 80 Jahren begann mit dem Überfall der Wehrmacht auf Polen der Zweite Weltkrieg, an dessen Ende 60 Millionen Tote, zerstörte Städte und traumatisierte Menschen standen. So war das Konzert als ein Projekt gegen das Vergessen konzipiert.

Über viele Wochen hatte Chordirektorin Birgit Ensminger-Busse das Werk mit dem Chor Capriccio einstudiert. Sie übernahm, zusammen mit ihrer Tochter Antonia Busse, auch die Solopartie. Der Konzertchor und die Musiker des Orchesters Camerata Risonanza standen unter der Leitung von Prof. Dr. Helmut Freitag.

Vor dem eigentlichen Konzert begrüßte Stefan Schäfer, Pfarrer von St. Stephan, die rund 600 Besucher, unter ihnen Bundesministerin Julia Klöckner und Oberbürgermeister Michael Ebling. Schäfer erinnerte auch an das Wirken seines Vorgängers im Amt, Monsignore Klaus Mayer. „Ihm ist es wesentlich zu verdanken, dass diese Kirche nach dem Bombenhagel als die Gebetsstätte des Friedens wieder auferstanden ist“. Schäfer ging auch auf die Spende des Mainzer Technologiekonzerns Schott ein, die die Anschaffung von drei neuen Glocken ermöglichte.

Diesen Aspekt betonte auch der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, Dr. Frank Heinricht, in seinem Grußwort. Er bezeichnete das gesellschaftliche Engagement von Schott als Teil der Firmenphilosophie, und „was könnte nachhaltiger sein, als eine Investition in Glocken, die, wie wir alle hoffen, noch in Jahrzehnten, vielleicht sogar in Jahrhunderten ihren Dienst versehen“.

Der rheinland-pfälzische Kulturstaatssekretär Dr. Denis Alt hob in seinem Grußwort hervor, dass der Krieg die Heimstätten des gesellschaftlichen und kirchlichen Lebens in Mainz und in vielen anderen Städten weitgehend zerstört hatte. „Nicht zerstört wurden die Hoffnungen der Überlebenden auf Frieden und Versöhnung. Dies zeigt sich besonders in den Fenstern von Marc Chagall“.

Der Waliser Karl Jenkins, Jahrgang 1944, hat sein Werk unter dem Eindruck des Krieges im Kosovo 1998/99 geschrieben, bei dem nicht zuletzt religiöse Konflikte zwischen Muslimen und Christen eine große Rolle spielten. Musikalisch führt das Werk den Spannungsbogen von der Verherrlichung des Krieges über die Tragödie der Zerstörung zur Vernichtung hin, wie sie im Einsatz der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki gipfelten. Die Zuhörer konnten musikalische Rückgriffe auf das Mittelalter, die Kompositionstechniken der Renaissance, aber auch die Klangfarben der Moderne erkennen. Hineingestreut hat der Komponist auch den Gebetsruf des Muezzins. Unerwartet erklang im zweiten Stück von der Empore des Westchors „Allahu akbar“. Erst gegen Ende der Friedensmesse entwickelte sich aus dem Chaos und dem fassungslosen Anschauen die sanfte a-capella-Verheißung, wonach Gott alle Tränen abwischen werde. Speziell im leisen Finale klagen sie prophetisch: „Läutet hinaus die tausend vergangenen Kriege, läutet ein tausend Jahre Frieden“. Spätestens mit dem Einsetzen des Geläuts der Glocken von St. Stephan erreichte das Konzert einen emotionalen Höhepunkt, der noch lange bei den Konzertbesuchern nachhallte.

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Text: Jürgen Breier, mit freundlicher Genehmigung des Verlags Bonewitz, Bodenheim. Fotos: Alex Sell

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